Teaser: Ziviler Ungehorsam ist ein adäquates Mittel gegen die postdemokratische Verwahrlosung. Wir brauchen für eine lebendige, demokratische Kultur den Dissens, den Konflikt, die Auseinandersetzung. Dazu braucht es auch die Elemente des Unvorhersehbaren, Spontanen und des Radikalen in der politischen Auseinandersetzung.
Abstract: Einer sozial-ökologischen Transformation stehen hegemonial verbreitete soziale und politische Praktiken im Weg, welche sich tief in unseren gesellschaftlichen und individuellen Lebensweisen verankert haben. Es ist daher naiv zu glauben, eine solche Transformation könnte konfliktfrei und ohne die Austragung von politischen Dissens verlaufen. Gewaltfreie Formen zivilen Ungehorsams gelten als legitime Mechanismen des Widerstands und fordern eine Diskussion um Machtformen und ein infrage Stellen der gegenwärtigen post-politischen Kultur heraus. Es gilt die Frage zu diskutieren, ab welchem Zeitpunkt die Dringlichkeit eines Themas hoch genug ist um Handlungsformen des zivilen Ungehorsams zu legitimieren.
Aus dem Text: . . . Der Konsens als Möglichkeit übereinstimmender Meinungen wird in dieser Tradition von vielen Menschen oft als der Idealtypus einer funktionierenden Demokratie betrachtet. Er schwingt implizit auch in Forderungen wie dem „guten Leben für Alle“ mit, also Lebenssituationen in denen es jeder einzelnen Person gut geht und mit denen alle übereinstimmen können. Problematisch sind allerdings die weitgehend herrschaftsfreien Grundvoraussetzungen, derer es bei einem solchen deliberativen Demokratieverständnis bedarf. Anhand der erwähnten Merkmale einer sozial-ökologischen Transformation wird schnell klar, dass diese, wie jeder grundlegende gesellschaftliche Wandel, bestehende Herrschafts- und Machtformen herausfordert. Es wäre somit naiv zu glauben, dass solch eine Entwicklung gänzlich konfliktfrei verlaufen kann. Die Konfliktebene spielt allerdings selbst in gegenwärtigen Transformationsdebatten „eine geringe Rolle und ist negativ konnotiert. Es sollen weitgehend ‚alle’ mitgenommen werden beim Prozess der Transition-Transformation und die berühmten Win-win-Konstellationen geschaffen werden" (Brand 2014, 247). Um diese Konfliktebene entsprechend mitzudenken, kann eine gegenläufige demokratietheoretische Diskussion als Grundlage behilflich sein. . . .
Der Text ist Teil des Projektes Spurenlegen. Eine unabhängige, ehrenamtliche Redaktion, bestehend aus Ulrich Brand, Marina Fischer-Kowalski, Jörg Flecker, Paul Kolm, Markus Koza, Gabriele Michalitsch, Andreas Novy, Elke Rauth, Alexandra Strickner und Ulli Weish hat auf Einladung der Grünen Alternative Wien und der Grünen Bildungswerkstatt im Rahmen des Projektes "Neue Spuren legen" insgesamt acht Abstracts ausgewählt und deren AutorInnen zur Ausarbeitung eingeladen.