Dieser Text ist eine gekürzte Fassung des Beitrages zur Jugendumweltbewegung für „Degrowth in Bewegung(en)“
Wir sind beide langjährig mit der BUNDjugend ehren- beziehungsweise hauptamtlich verbunden und sprechen daher vor allem für diesen verbandsgeprägten und organisierten Teil der Jugendumweltbewegung. Gleichzeitig fühlen wir uns als Teil der Degrowth-Bewegung.
Dieser Text ist eine subjektive Momentaufnahme der Jugendumweltbewegung und ihres Verhältnisses zu Degrowth. Wir haben dabei versucht, möglichst viele aktuelle Stimmen junger Umweltbewegter einzusammeln, dabei aber auch die Geschichte und Diversität der Jugendumweltbewegung zu berücksichtigen.
Die Gründung der Jugendumweltverbände in den 1980er Jahren richtete sich zunächst sehr stark gegen die etablierten Strukturen der Umweltbewegung. Die jungen Umweltaktivist*innen der Gründungsphase waren größtenteils radikales und kritisches Sprachrohr für Selbstständigkeit, Enthierarchisierung und direkte politische Aktionen. Stand der Schutz der Umwelt zwar auch bei den jungen Menschen im Vordergrund, wurde hier jedoch zugleich viel Wert auf Selbstorganisation, Hierarchie- und Bürokratiefreiheit sowie auf die Ablehnung verkrusteter Strukturen von Staat und Wirtschaf gelegt. Im Gegensatz zu den bereits etablierten Umweltverbänden wurden Umweltschutz und Ökologieanspruch mit einer radikalen Systemkritik verbunden.
In der derzeitigen Jugendumweltbewegung organisieren sich Menschen unter dreißig Jahren. Ihnen ist der historische Anspruch an eine basisdemokratische Organisation und Arbeitsweise geblieben. So sind die BUNDjugend, die Naturschutzjugend, die Naturfreundejugend und der Deutsche Jugendbund für Naturbeobachtung bis heute formell basisdemokratisch organisiert.
Positionen, Vorgehensweisen und Themenschwerpunkte werden intensiv zwischen den Landes- und Bundesebenen sowie zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen diskutiert und ausgetauscht. Dies unterscheidet sie stark von internationalen Jugendorganisationen wie der WWF Jugend oder Greenpeace Jugend, die sehr viel stärker hierarchisch aufgestellt sind. Zentral ist auch die föderale Struktur mit einem Landes- und einem Bundesverband, die zum einen regionale Schwerpunkte und Aktionsformen zulässt, zum anderen zentrale – dabei oft langsam und mühselig erscheinende – Entscheidungs- und Veränderungsprozesse nach sich zieht. Auch aufgrund der föderalen Struktur ist ein einheitliches Bild der Jugendumweltbewegung sehr schwer zu zeichnen.
Inhaltlich steht der Schutz der Umwelt, lokal wie global, im Mittelpunkt der Jugendumweltbewegung. Basierend auf den Interessen der aktiven Mitglieder haben sich Themenschwerpunkte herausgebildet, die an Diskurse aus der kritischen Entwicklungspolitik anknüpfen. Aufgrund der großen Themenvielfalt rund um Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung sind die Aktiven der Jugendumweltbewegung in der Regel auf vielen gesellschaftlichen Ebenen umtriebig: Sie sind in wirtschaftliche, politische und auch wissenschaftliche Prozesse involviert und bringen dort ihre ökologischen Anliegen ein. Zudem spielt die internationale Vernetzung (zum Beispiel Young Friends of the Earth) eine immer wichtigere Rolle, da viele Umweltprobleme auch in ihrer globalen Dimension erfasst und diskutiert werden und strategische Bündnisse sinnvoll und notwendig sind, um mit ausreichender politischer Schlagkraft zu agieren.
Durch Workshops, Aktionen und Treffen werden jungen Menschen die Fähigkeiten werden, sich kritisch mit etablierten Meinungen auseinanderzusetzen, eigene politische Standpunkte zu entwickeln und diese in Aktionen und Projekten umzusetzen. Die Jugendverbände verstehen sich daher immer auch als Sprachrohr für junge Menschen, um ihre Stimme in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zu stärken.
Strategisch lässt sich die Arbeit der Jugendumweltbewegung in zwei Bereiche gliedern. Ein Schwerpunkt liegt auf der Bildungs- und Politisierungsarbeit. So soll die breite Bevölkerung auf ökologische Probleme aufmerksam gemacht und für notwendige Änderungen sensibilisiert werden. Hierbei setzt der Bildungsauftrag der Jugendumweltbewegung in erster Linie bei individuellen Handlungsoptionen an, zudem zielt er auf langfristiges Empowerment und lässt junge Menschen so zu politischen Akteur*innen werden. Sie erlernen Fähigkeiten und Kompetenzen, um das eigene Leben ökologischer zu gestalten und auch andere davon zu überzeugen. Der zweite Schwerpunkt ist die politische Lobby- und Kampagnenarbeit, die innerverbandlich als sehr wichtig erachtet wird. Sie zielt darauf ab, Strukturen und Rahmenbedingungen für alternative, ressourcenschonende Lebensstile zu schaffen. In unregelmäßigen Abständen wird mit Demonstrationen, Aktionen und Infokampagnen Öffentlichkeit dafür geschaffen.
Neben Klima, Energie und Landwirtschaft ist Degrowth (zunächst unter dem Stichwort Postwachstum) in den letzten zehn Jahren zu einem gesetzten Querschnittsthema für die Jugendumweltbewegung geworden. Die Tatsache, dass unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten nicht möglich ist, ist zu einer Binsenweisheit geworden. Folgerichtig wurde die Kritik an ökologischen Zerstörungen mit einer Ablehnung des bestehenden Wirtschaftssystems verbunden, welches auf die unbegrenzte Ausbeutung natürlicher und humaner Ressourcen angewiesen ist und finanzielle Profite über das Gemeinwohl stellt. Die umweltbewegten jungen Menschen interessieren sich für systemische Fragen und kritisieren ein Wachstums- und Wettbewerbssystem, das auf Kosten von Umwelt und Menschen geht. Obwohl die Aktiven in erster Linie ökologisch motiviert sind, werden Kritik und Aktionsformen immer stärker auch darauf ausgerichtet, die dahinterstehenden Ursachen anzugreifen. Damit teilt die BUNDjugend wie auch andere Jugendumweltverbände die Werte vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen, die für einen umfassenden gesellschaftlichen Wandel streiten. Es ist folglich kein Zufall, dass die BUNDjugend das globalisierungskritische Netzwerk Attac mitgegründet hat. Heute werden unter dem Begriff Postwachstum und Degrowth viele Workshops, Aktionen und Projekte organisiert, die sich um eine sozial-ökologische Transformationen von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft drehen.
Die neu entstandene Degrowth-Strömung und -Debatte funktioniert wie ein neues Dach, unter dem sich auch die Jugendumweltbewegung gruppieren kann. Hier erkennen die Aktiven Überschneidungen und Gemeinsamkeiten mit anderen Bewegungen, Initiativen und Projekten und können die eigenen Anliegen in einen größeren Rahmen einordnen. All dies passiert auch auf eine wesentlich unkompliziertere Art und Weise als bei den Erwachsenenverbänden. Schließlich sind die meisten jungen Umweltaktivist*innen ohnehin der Meinung, dass ein großer sozialer und ökologischer Umbau notwendig ist.
Als eine zentrale Schnittstelle zwischen der deutschen Degrowth-Bewegung und der Jugendumweltbewegung erscheint uns das Thema der Suffizienz und die Frage danach, wie alle genug haben können. Die jungen Umweltaktivist*innen legen großen Wert auf persönliche Suffizienz und leben vor, wie ein möglichst suffizientes Leben im Alltag umgesetzt werden kann. Sie hinterfragen die herrschende Logik des Immer-höher-schneller-weiter-und-mehr und haben große Freude am Energiesparen, Klimafasten, Teilen und Schenken und an Verpackungsfreiheit. Sie sind die Pioniere eines konsequent ökologischen und nachhaltigen Lebensstils und fordern, diesen auch für andere zugänglich zu machen. Sie haben erkannt, dass der Lebensstil der industrialisierten Länder nur auf Kosten von Umwelt und Natur und von Menschen im globalen Süden zu haben ist und dass der ökologische Fußabdruck ihrer Generation den kommenden auf die Füße fällt. So sehen sie in der persönlichen und gesellschaftlichen Suffizienz eine mögliche Strategie, um nicht nur ökologische Krisen zu vermindern, sondern auch selbst unmittelbar aktiv zu werden.
Wer die eigene Ernährung, die Mobilität oder das Kaufverhalten ökologischer und nachhaltiger gestalten kann, erfährt unmittelbar, dass hier und sofort etwas veränderbar ist. Viele junge Menschen haben das Vertrauen in schnelle und wirksame Veränderungen auf politischer Ebene verloren, sodass ihnen die Umstellung auf einen nachhaltigen Lebensstil einen Teil ihrer Wirkmächtigkeit zurückgeben kann. Während Forderungen an die politische Ebene oft mit Misserfolg oder Ignoranz enden, kann ein suffizienter Lebensstil unmittelbar Ressourcen schonen – wenn auch die tatsächliche Wirksamkeit oft im Unklaren bleibt. Die eigene Praxis und vor allem die damit verbundene Bereitschaft, neue Dinge auszuprobieren und im eigenen Leben zu experimentieren, liefern viele positive Beispiele für Forderungen aus der Degrowth-Debatte.
Die jungen Umweltaktivist*innen zeigen, dass ein suffizienter Lebensstil Spaß machen kann, das eigene Leben bereichert und das Gemeinschaftsgefühl fördert. Die teils als utopisch angesehenen und dafür kritisierten Ideen und Ideale einer nachhaltigen Degrowth-Gesellschaft werden schon jetzt von diesen jungen Menschen gelebt. Sie sind Vorbilder, Pionier*innen und Experimentierende und damit lebender Beweis für einen möglichen gesellschaftlichen Wandel und kulturellen Mentalitätswechsel. Gerade auch in der Auseinandersetzung mit den verkrusteten Strukturen der Erwachsenenverbände wird das auch immer wieder angeführt: „Schaut her, ihr Großen da oben! Während ihr noch debattiert und mit klugen Worte um euch schmeißt, haben wir es schon längst getan. Und wisst ihr was? Es ist ganz einfach und es macht großen Spaß!“
Mit der Degrowth-Bewegung im Rücken können die jungen Umweltaktivist*innen den eigenen politischen Forderungen mehr Gewicht verleihen und sie mit der Forderung nach einer anderen, nachhaltigeren Wirtschaftsweise verbinden. Die Degrowth-Bewegung kann sich wiederum von der Jugendumweltbewegung Orte und Themen des Protests abschauen und Degrowth dadurch sehr viel konkreter machen, als es die theoretische Debatte vermuten ließe.
In diesem Sinne besteht zwischen Degrowth und Jugendumweltbewegung eine Partnerschaft, die beide stärkt und von der das Lobbying für Degrowth-Politik profitiert. Ob dies in einem reformerischen Maße geschieht und zum Beispiel der Ausbau von Fahrradstraßen gefordert wird oder ob die ökologischen Anliegen mit einer scharfen Kritik an ausbeuterischen Strukturen des kapitalistischen Systems verbunden werden, bleibt den Aktiven überlassen. Wie oben gezeigt, ist der Spielraum in der Jugendumweltbewegung hier groß genug, und in der Degrowth-Debatte finden sich diverse Anregungen.
Die Degrowth-Bewegung zeigt uns, dass wir nicht mehr nur an kleinen und schrittweisen Verbesserungen arbeiten, sondern bei unserem Aktivismus immer auch den großen Wandel im Blick behalten sollten. Diese Haltung erfordert eine Portion Zuversicht, Pragmatismus und die Einsicht, dass vieles auf diesem Weg Experimentiercharakter hat. Hier möchten wir auch an uns selbst appellieren, uns auf unsere Wurzeln zurück zu besinnen und auf den widerständigen Geist der Gründung der Jugendumweltbewegung, ohne die zwischenzeitlichen kollektiven Erfahrungen und organisationalen Lernprozesse außer Acht zu lassen. Die Begründer*innen der Jugendumweltbewegung waren mutig genug, einen Systemwandel zu fordern. Traten unsere Vorgänger*innen nicht genau mit dieser Absicht in Aktion, weil sie verkrustete Strukturen aufbrechen und gerechte und ökologische Ideale jetzt leben wollten? All diese Ideen und Ansprüche finden sich heute auch in der Degrowth-Bewegung und ebenso in der Jugendumweltbewegung wieder.
Since the 2014 Leipzig Degrowth Conference, the argument that climate justice cannot exist without degrowth has repeatedly been made. In a keynote at the Degrowth conference in Budapest, in September 2016, I developed this line of thinking further and argued that the opposite is equally important: There is not degrowth without climate justice. My argument, which I presented as someone involved ...
Von Christiane Kliemann Während die Staatsoberhäupter noch das Abschlusspapier der Pariser UN-Klimakonferenz als "wichtigen Schritt für die Menschheit" feierten, hatten kritischere Stimmen den Vertrag bereits als "Schwindel", "episches Versagen" und "Handelsabkommen" verurteilt. Damit weisen sie auf die Diskrepanz hin zwischen der Verpflichtung, "den Anstieg der globalen Durschschnittstemperat...
von Christiane Kliemann Mit der Sommerschule im Klimacamp im Rheinland werden zum ersten Mal die Themen Degrowth und Klimagerechtigkeit explizit zusammen gedacht. Das Eröffnungspodium ,,Keine Klimagerechtigkeit ohne Degrowth‟ hatte somit die Aufgabe, den großen Bogen zu schlagen und die Verbindungslinien zwischen Klimagerechtigkeit, Degrowth und dem Widerstand gegen fossile Energieträger zu zi...