Von den TeilnehmerInnenn der Theoriewerkstatt zu Wachstumszwängen
Im ersten Teil dieses Artikels haben wir beleuchtet, warum die klassischen Wirtschaftswissenschaften Wirtschaftswachstum für notwendig halten, um die Konsumwünsche einer Bevölkerung zu befriedigen, sowie die Fragwürdigkeit dieser Annahme offengelegt. Um es nicht bei der Kritik zu belassen, stellen wir im zweiten Teil mögliche Alternativen zu den derzeitig vorherrschenden Konsumgewohnheiten dar, die auch ohne Wirtschaftswachstum Konsumbedürfnisse befriedigen.
Eine Industriegesellschaft, die die Lebensqualität ihrer Mitglieder auf einem hohen Niveau halten will, ohne dafür in exzessiver Weise natürliche Ressourcen und menschliche Arbeitskraft zu verbrauchen, könnte den Konsum ihrer Mitglieder über diverse alternative Wege ermöglichen, als in der gegenwärtigen Gesellschaftsform üblich sind. Viele dieser Versorgungsweisen werden in der Zivilgesellschaft gegenwärtig schon seit einiger Zeit erprobt.
Ein Widerspruch zwischen vermeintlich hoher Qualität und Langlebigkeit besteht gegenwärtig oft dadurch, dass Produzenten von Elektrogeräten und vergleichbaren Artikeln des hohen Preissegments Sollbruchstellen in ihren Produkten einbauen, die den Kunden zwingen sollen, nach kürzerer Zeit als eigentlich nötig wäre, Ersatz für das funktionsuntüchtige, scheinbar nicht lohnenswert reparierbare Produkt zu erwerben (auch als geplante Obsoleszenz bezeichnet).
Die verbreitete Gewohnheit, die Möglichkeit, jederzeit eine große Palette an Produkten für einen geringen Preis erwerben zu können, als Freiheit zu empfinden, steht unserer Meinung nach einem bewussten Umgang mit Ressourcen und Arbeitskraft massiv entgegen. Es ist in Betracht zu ziehen, ob nicht ein bedachterer Konsum hochwertigerer Produkte, die seltener ersetzt werden müssen, ein erhebliches Maß an zeitlicher und gedanklicher Freiheit freisetzen könnte, die der freien Zeit einen höheren Entspannungswert verschaffen würde. Die gesellschaftlich akzeptierte positive Charaktereigenschaft der Sparsamkeit dürfte in diesem Fall an der Bereitschaft zum Weiterverwenden und Reparieren von Gegenständen gemessen werden, anstatt an der Fähigkeit, mit größter Professionalität Discounterangebote zu durchsuchen.
Der erste Schritt in diese Richtung wäre der Konsum qualitativ hochwertigerer, langlebigerer und reparabler Produkte, um den Ressourcenverbrauch zu mindern. Einige Unternehmen haben sich bereits diesem Credo verschrieben. Diese bieten Produkte von hoher Qualität, bei welchen es möglich ist Reparaturen, falls notwendig, durchzuführen. Die Produkte werden weiterhin in längeren Arbeitsprozessen gefertigt und sind dadurch an sich solider. Ferner wird darauf geachtet, dass die Gegenstände, die zum Verkauf angeboten werden, aus Materialien wie Glas, Metall und auch Holz angefertigt wurden, um so Langlebigkeit und Reparierbarkeit zu garantieren.
In vielen deutschen Städten wenden sich sogenannte „Repair-Cafés“ gegen die Wegwerf-Mentalität und kritisieren den gedankenlosen Umgang mit Produkten, den Einsatz großer Grundstoff- und Energiemengen bei der Produktherstellung und die daraus entstehende Folgen für die Umwelt und den hohen CO2-Austoß. Bei Repair-Cafés handelt es sich um ehrenamtliche Treffen, bei welchen defekte Gegenstände gemeinsam und mit Hilfe von Fachleuten, wie Elektrikern oder Tischlern, repariert werden. Neben der Reparatur der Gegenstände ist es den Veranstaltern der Repair-Cafés wichtig, das vergessene Wissen über die Reparatur zu vermitteln. „Es findet ein wertvoller praktischer Wissensaustausch statt. Gegenstände sind auf diese Weise länger brauchbar und werden nicht weggeworfen“. Die Idee des Repair-Cafés soll zu einer „Mentalitätsveränderung“ beitragen, weil diese notwendig sei, um eine Gesellschaft nachhaltig zu gestalten.
Bei der Nutzung von Gegenständen, die nicht durchgehend von einer Person gebraucht werden, bewährt sich gegenwärtig das Modell des „Sharing“. Vor allem Autos, Haushaltsgegenstände und Werkzeug werden mithilfe von Internetseiten zur Nutzung angeboten, wenn deren Besitzer sie für einen bestimmten Zeitraum nicht brauchen.
Der Nutzwert der Gegenstände wird jedem Teilnehmer zugänglich gemacht, während Produktionsaufwand, Ressourcenverbrauch und die individuelle finanzielle Belastung stark reduziert werden. Die neuen Kommunikationsmedien machen es möglich, dieses Modell auf vielerlei Güter anzuwenden.
In vergleichbarer Weise wird über Tauschbörsen und Tauschringe ein Austausch von Gebrauchsgegenständen und Kleidung betrieben, der keine verstärkenden Auswirkungen auf die Geldwirtschaft hat und keine Form von Produktion benötigt.
Tauschbörsen sind organisierte Veranstaltungen, ähnlich Flohmärkten, bei denen Gebrauchsgegenstände, Kleidung und ähnliches gegen Marken gespendet werde, mit denen wiederum andere, von anderen Teilnehmern gespendete Gegenstände erworben werden können.
Bei Tauschringen handelt es sich um Gruppen, deren Mitglieder sich zusammenschließen, um Gegenstände und Dienstleistungen untereinander zu tauschen. Meist findet dies über eine Art Alternativwährung statt, beim LoWi (Lokaler Wirtschats- und Tauschbund) in Münster beispielsweise über die sogenannten „Talente“. Durch diese Alternativwährung werden die Probleme, die andernfalls mit dem Tauschhandel einhergehen können, verhindert. Das gängigste Problem ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass kein Tausch zustande kommt, weil die angebotenen und nachgefragten Güter nicht übereinstimmen.
Second Hand-Läden fordern ebenfalls keine neuen Güter an, finden aber immer noch im Rahmen der Geldwirtschaft statt. Dadurch kurbeln sie, wenn auch in geringem Maße, den Handel und damit das BIP an.
Die Nahrungsmittelproduktion müsste im Sinne einer Postwachstumsökonomie stärker regional ablaufen, die Ernährung sich tendenziell stärker an der Saison orientieren und der Konsum von Lebensmitteln tierischen Ursprungs vermindert werden, da die momentane Ernährungsform in den Industriestaaten einen unangemessen hohen Ressourcenverbrauch mit sich bringt.
Eine regionale und saisonale Lebensmittelversorgung lässt sich beispielsweise über das Konzept der „Community supported Agriculture“, kurz CSA gewährleisten. Die in England, Frankreich und Deutschland schon jetzt verbreitete CSA wird hier meist „Solidarische Landwirtschaft“ genannt und basiert auf der Idee, dass eine Gruppe Verbraucher sich zusammenschließt und sich verpflichtet, einem landwirtschaftlichen Betrieb monatlich einen bestimmten Betrag zu zahlen, wofür dieser im Gegenzug einen Teil seiner Erzeugnisse der Verbrauchergruppe überlässt. Der Grundgedanke hierbei ist, dem Landwirt seine Arbeit zu vergüten, anstatt ihm die Erzeugnisse seiner Arbeit zum Marktpreis abzukaufen. Die positiven Folgen sind abgesehen von der starken regional-saisonalen Nahrungsmittelversorgung, dass der Landwirt weniger von den Schwankungen des Marktpreise abhängig ist und unter keinem, bzw. einem geringerem Konkurrenzdruck steht, als gewöhnlich. Das Risiko von Missernten wird auf die Gemeinschaft der Verbraucher breit verteilt, anstatt den Landwirt schnell existenziell zu bedohen.
Die „Prosumenten“ genannten Verbraucher können das Angebot und die Bedingungen des Produktionsprozesses mitbestimmen, Arbeitseinsätze leisten, die Leistungen außerhalb der wachstumtreibenden Geldwirtschaft darstellen und dadurch, dass sie selbst direkt mit dem Produzenten der Lebensmittel im Kontakt stehen, und keine Normen und Richtlinien die Produktauswahl einschränken, dafür sorgen, dass die Verschwendung und das Wegwerfen von Lebensmitteln minimiert werden, sowie die Sortenvielfalt erhalten bleibt.
In ländlichen Regionen und Vorstädten kann zudem ein Teil des Bedarfs durch Gartenbau durch die Verbraucher selbst gedeckt werden. Wo urbane Räume aufgrund von Platzmangel landwirtschaftlich nutzbare Flächen rar machen, wie in New York, hat sich das Modell der Gemeinschaftsgärten bewährt.
Damit ein solches Wirtschafts- und Versorgungssystem funktionieren und die Konsumenten befriedigen kann, ist es wie bereits erwähnt selbstverständlich nötig, dass sich die Konsumgewohnheiten, die Vorstellungen von „guten Produkten“ und die Definition von Lebensqualität, zumindest wie sie sich im vorherrschenden Verhalten der Bevölkerung ausdrückt, ändern. Ein solcher Prozess ist nicht losgelöst von Veränderungen in der Werbung und den anderen Leitbildern gesellschaftlicher Werte denkbar.
Wenn die Abschaffung von Einfuhrzöllen und „Chancengleichheit“ zwischen aus- und inländischen Unternehmen gefordert wird (wie derzeit bei den Verhandlungen zum „TTIP“), um der wirtschaftlichen Globalisierung nicht im Wege zu stehen, widerspricht dies derartigen Bemühungen massiv. Die sogenannten „externen Kosten“ dürfen nicht derart ignoriert werden, dass Produkte, die unter ökologisch und sozial verheerenden Bedingungen produziert werden, die preislich billigsten sind.
Die genannten Alternativen könnten der erste Schritt auf dem Weg in eine nachhaltige Gesellschaft sein. Auch wenn nicht alles zu Beginn umgesetzt werden kann oder will, bedeutet bereits die Reparatur eines defekten Gegenstandes statt der Anschaffung eines neuen Gerätes, sich dem Zwang zum kaputt Verbauchen ein stückweit zu entziehen.
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