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„Die Ökonomien des Gemeinsamen“ – Ein Beitrag der Heinrich-Böll-Stiftung zur Degrowth-Konferenz

13.06.2014

Von Christiane Kliemann

Unter dem Motto „Besser – Anders – Weniger“ beleuchtet das aktuelle Böll.Thema den weltweiten Trend zur Suche nach alternativen Wirtschaftskonzepten, denn schneller als die Wirtschaft wächst in vielen Teilen der Welt „das Unbehagen an einer Vorherrschaft der Wirtschaft, die alle Lebensbereiche dominiert“. Das Heft zeigt und verknüpft einige der vielfältigen konkreten Alternativen, die zunehmend an Schubkraft gewinnen und „eine Transformation losgetreten haben, die unaufhaltsam ist“

Heike Löschmann bezieht sich in ihrer Einleitung auf Jeremy Rifkin und stellt das Thema in den größeren Kontext einer „dritten industriellen Revolution“, die eine neue, dezentrale und selbstorganisierte Produktionsweise möglich mache: die Peer-to-Peer-Ökonomie. Da durch das Zusammenspiel neuer technologischer und sozialer Infrastrukturen die Grenzkosten von Produktion immer mehr gegen Null gingen, könnten Güter und Dienstleistungen nun in Fülle zur Verfügung stehen, und so den traditionellen Kräften des Marktes entzogen werden.

Die möglichen ökologischen Konsequenzen einer solchen Fülle werden hier zwar nicht angesprochen; jedoch zeigt sich bei den folgenden Beschreibungen der konkreten Konzepte und Modellprojekte, dass die sozialen Vorteile des gemeinschaftlichen Wirtschaftens meist auch mit ökologischen Vorteilen Hand in Hand gehen.

Die Konzepte

Christian Felber betont bei der Vorstellung der Gemeinwohlökonomie: „88 Prozent der Deutschen und 90 Prozent der Österreicherinnen und Österrreicher wünschen sich eine Wirtschaftsordnung, die ethisches Verhalten zum Wohle aller belohnt. Nach drei Jahren tragen mehr als 1500 Unternehmen aus 30 Staaten die sogenannte Gemeinwohl-Ökonomie, immer mehr Gemeinden schließen sich an“

Barbara Muraca hält in ihrem Plädoyer für eine Postwachstumsökonomie eine „radikale Transformation von Institutionen und kulturellen Mustern und Neugestaltung von Produktion, Nutzung und Konsum“ für notwendig, denn wenn auf Wachstum ausgelegte Gesellschaften mit dem Wachsen aufhörten – was immer mehr der Fall sei – seien Krisen unvermeidlich. Deshalb sieht sie auch vor allem die Notwendigkeit von institutionellen Maßnahmen wie geschlechtergerechte Arbeitszeitreduktion, Einschränkung von Werbung, eine gute soziale Grundsicherung und mehr Basisdemokratie.

Für Dagmar Embshoff lässt sich das Konzept der Solidarischen Ökonomie durch das Motto „Sinn vor Gewinn und Kooperation statt Konkurrenz" auf den Punkt bringen – ein System nicht zur Erfindung, sondern zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Sie sieht dann auch im Heraustreten aus der passiven Rolle des Konsumierens und aus der Abhängigkeit von anonymen globalen und undemokratischen Märkten den Hauptvorteil dieses Konzepts.

Thomas Dönnebrink, der die Shareconomy vorstellt, hält das Teilen für die ursprünglichste Form des Wirtschaftens und fragt: „Wird der Homo oeconomicus zum homo collaborans?“ Die Menschen machten die Erfahrung, dass die Vorteile des Teilens über die ökomischen weit hinausgingen, da so Verbundenheit und Vertrauen erzeugt würden statt Vereinzelung und Misstrauen. So stünde auch nicht mehr der Kampf um das größte Stück Kuchen im Zentrum, sondern die Kooperation, den Kuchen besser zu nutzen und zu „fairteilen“.

Michel Bauwens beschreibt die Commonsbasierte Peer-Produktion als einen Prozess, bei dem Individuen offen und aus freier Entscheidung zu einem gemeinsamen Pool an Wissen, Software oder Bauplänen beitragen; also einen Kreislauf von Commons erschaffen anstelle eines Kreislaufs von Kapital. Auch wenn sich dieses Prinzip vor allem bei der Produktion immaterieller Güter durchgesetzt habe (z.B. bei freier Software), sei es auch interessant für eine Postwachstumsgesellschaft, da auch so produzierte materielle Produkte keine beschränkte Lebenszeit haben müssten, um im Wettbewerb zu bestehen. Beim Open Design seien vielmehr Robustheit, Langlebigkeit, Modularität und Reparierbarkeit wichtig.

Bei aller Ausrichtung auf die positiven Aspekte dieser Konzepte sehen jedoch alle AutorInnen die Notwendigkeit, Werte wie Offenheit, Gerechtigkeit und Teilhabe durch eine Einbettung in einen passenden neuen politischen Rahmen zu schützen und verschließen nicht die Augen vor möglichen Gefahren: Eine Postwachstumsökonomie könnte leicht in Lokalpatriotismus oder vorindustrielle Modelle abgleiten, und auch eine solidarische Ökonomie alleine kann die Spaltung zwischen arm und reich nicht lösen, wie auch die gerechte Teilhabe aller an Peer-Produktionstechniken nur auf politischem Wege durchzusetzen sein wird.

Projekte, Wissenschaft und Technologie

Im zweiten Teil des Hefts werden konkrete Projekte beschrieben, wie zum Beispiel die Einkommensgemeinschaft im Ökodorf Tempelhof, der Designer Van Bo Le-Mentzel, der Pläne für Möbel und Häuser verschenkt, und der Buschberghof, der einer der ersten Höfe in Deutschland war, der auf Solidarische Landwirtschaft umstellte.

Im dritten Teil geht es um Wissenschaft am Beispiel der Cusanus-Hochschule in Gründung, die die Vision einer neuen Lehre in Form von Commons umsetzen, und Bildungsprozesse in Gang bringen möchte, die nicht äußeren Zwecken unterworfen sind. Das zweite Beispiel, das Netzwerk plurale Ökonomik, hat sich auf die Fahnen geschrieben die scheinbare „Alternativlosigkeit“ der ökonomischen Lehre des Mainstream zu durchbrechen.

Und schließlich beschäftigt sich der vierte Teil mit neuen Technologien für eine Gesellschaft jenseits des Wachstums, wo vor allem die Low-Tech Bewegung und „konvivialen Werkzeuge“ nach Ivan Illich zu nennen sind: Konviviale Werkzeuge sind definiert als „Dinge oder Einrichtungen, die gemeinschaftlich von den Menschen hergestellt, genutzt und verwaltet werden“, gemessen an den Kriterien Gesundheit, Gerechtigkeit, Beziehungsfähigkeit, Rohstoffverbrauch und Selbstbestimmung. Wie dies konkret aussehen kann, zeigen die Portraits einer Lastenradmanufaktur und des offenen Technologielabors (Otelo) Ottensheim.

Wie schon in der Einleitung vorausgeschickt, wird ein „hybrides System von Kapitalismus und den Ökonomien des Gemeinsamen“ sichtbar, das nicht die Frage stellt, ob es das Richtige im Falschen überhaupt geben könne, sondern schlichtweg beobachtet, dass es da ist und immer mehr Raum einnimmt - und so langsam seine transformative Kraft entfaltet. Dadurch kommt ein neues Verständnis von Transformation zum Tragen, dem kein fertiges Konzept zugrunde liegt, sondern experimentelle Vielfalt auf verschiedenen Ebenen – ausgerichtet an einigen geteilten Grundwerten. Und so schreibt auch Friederike Habermann im ihrem Ausblick: „Wir werden erst beim Gehen erkennen, wohin uns die Wege bringen“ und: „Schön wird es nur da werden, wo wir es uns heute schon gut gehen lassen“.

Fazit: Das Heft ist eine übersichtliche, schön gestaltete und inhaltlich pointierte Zusammenfassung alternativer Konzepte und macht Mut zur Veränderung. Es ist vor allem für Menschen, die sich noch nicht so intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt haben, ein guter und differenzierter Einstieg, auch für die Teilnahme an der Degrowth-Konferenz.

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