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Elmar Altvater gestorben

03.05.2018

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„Wer von der Akkumulation des Kapitals nicht reden will, soll zum Wachstum schweigen,“ so einer der vielen prägenden Sätze des Politikwissenschaftlers Elmar Altvater, der am 1. Mai gestorben ist. Als Lehrer, Redner, Autor und kritischer Denker ist sein Werk prägend für die deutschsprachige wachstumskritische Debatte und darüber hinaus. Die Diskussion um Postwachstum und Degrowth hat viel von ihm zu lernen: von seiner grundlegenden Analyse der kapitalistischen Akkumulation als Wachstumstreiber über seine nie ermüdenden Plädoyers für systemische Alternativen bis zu seinem lebenslangen Engagement in sozialen Bewegungen. Sein Tod kann ein Anlass sein, seine Analysen, Argumente und Vorschläge wieder zu lesen und auch in der internationalen Degrowth-Debatte stärker sichtbar zu machen. Im folgenden veröffentlichen wir einen Nachruf des Wissenschaftlichen Beirats und des Koordinierungskreises von Attac Deutschland. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac ist auch dank der Beiträge von Elmar Altvater, der den Wissenschaftlichen Beirat mit begründet hat, eine treibende Kraft der deutschsprachigen Postwachstumsbewegung. "Am 1. Mai ist Elmar Altvater im Alter von 79 Jahren gestorben. Er war Gründungsmitglied des wissenschaftlichen Beirats von Attac, hat an vielen Stellungnahmen mitgewirkt und trat häufig öffentlich auf, um mit seinen Analysen zu politischen Klärungsprozessen und Strategiebildung beizutragen: bei Attac-Kongressen, Sommerakademien oder vor lokalen Gruppen. Er war einer der profiliertesten und streitbarsten Kapitalismuskritiker – unbequem, ein Querdenker und gleichzeitig wortgewandt und charmant. Inspririerender Kritiker kapitalistischer Ökonomie Elmar Altvater hat Studierende und die Teilnehmenden an öffentlichen Veranstaltungen, KollegInnen und FreundInnen immer beeindruckt durch sein umfassendes Wissen, seine Kenntnisse internationaler Gegebenheiten, seine nachdrückliche Art, sich sachlich und engagiert, argumentativ und kämpferisch, weitblickend und oftmals geradezu prophetisch zu äußern. Seine Analyse der Gesellschaft, die immer auch Kritik kapitalistischer Ökonomie war, ist wegweisend und wird weiter für uns alle inspirierend sein. Elmar Altvater, geboren am 24. August 1938, wuchs im östlichen Ruhrgebiet, in Kamen in einer Bergarbeiterfamilie auf. Der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung blieb er kritisch verbunden. Nach dem Abitur studierte er in München Ökonomie und Soziologie und wurde mit der Kritik der politischen Ökonomie vertraut, der er in seinen theoretischen wie zeitdiagnostischen Analysen und Kritiken bis zuletzt verpflichtet blieb. Schon der Titel seiner Promotion "Gesellschaftliche Produktion und ökonomische Rationalität: externe Effekte und zentrale Planung im Wirtschaftssystem des Sozialismus", die er 1968 abschloss, zeugt von einer undogmatischen und innovativen Herangehensweise. Die externen Effekte blieben für Elmar ein erkenntnisleitendes Phänomen, das ihm später half, Fragen der Ökologie nicht moralisch zu diskutieren, sondern rational mit einer Kritik der kapitalistischen Ökonomie zu verbinden. Elmar Altvater wurde einer der Vordenker einer marxistisch inspirierten ökologischen Kritik der politischen Ökonomie. Den Raubbau an der Umwelt begriff er als externen Effekt einer am Profit orientierten Ökonomie, als Teil der Destruktivkräfte des Kapitalismus. Früh trat er für eine solartechnische Revolution der energetischen Grundlagen der globalen Gesellschaft ein. Nach einigen Jahren als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Erlangen erhielt er 1971 eine Professur für Politische Ökonomie am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin und arbeitete dort bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2004. In seinem produktiven Wissenschaftlerleben veröffentlichte er 37 Bücher und unzählige Aufsätze. Eines seiner ersten Arbeitsvorhaben war 1970 die Gründung der Zeitschrift Prokla, was damals hieß: "Probleme des Klassenkampfs". Später erhielt Prokla den Untertitel: "Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft" − sie ist bis heute geprägt von Elmar eine der Führenden in der kritischen Wissenschaft. Theoretisches Rüstzeug für die globalisierungskritische Bewegung Als Elmar Altvater 2008 nach 35 Jahren aus der Redaktion der Prokla ausschied, wurde seine Arbeit für die Zeitschrift unter anderem mit folgenden Worten gewürdigt: "Schon sehr früh betonte er, dass der Kapitalismus nicht als eine allein nationalstaatlich bestimmte Größe, sondern als Weltmarktzusammenhang zu untersuchen sei. Was heutzutage nach vielen Debatten über Globalisierung durchaus vertraut klingt, war es Anfang der 1970er Jahre keineswegs." Die von ihm eingebrachten globalen Perspektiven und seine Analysen der Globalisierungsprozesse waren theoretisches Rüstzeug für die globalisierungskritische Bewegung, in der Elmar seit den 1980er Jahren auf für eine Entschuldung der Länder des Südens und gegen Investitionsschutzabkommen stritt. Als sein Hauptwerk, das er gemeinsam mit Birgit Mahnkopf verfasste, kann das weit rezipierte Werk "Grenzen der Globalisierung. Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft" von 1996 gelten. Innovativ war auch das von beiden verfasste Buch "Globalisierung der Unsicherheit – Arbeit im Schatten, schmutziges Geld und informelle Politik", das für die Kritik der politischen Ökonomie Neuland betrat. In dem Buch "Konkurrenz für das Empire: die Zukunft der Europäischen Union in der globalisierten Welt" von 2007 weisen Altvater und Mahnkopf sehr früh auf die Strategie der EU hin, über Freihandelsverträge mit dem Süden ihre wirtschaftliche Macht auszubauen. Die Kritik der Freihandelspolitik wurde mit TTIP dann allgemein und zu einer der größeren sozialen Bewegungen der Bundesrepublik. Elmar war in der internationalen marxistischen Debatte einer der wichtigsten zeitgenössischen Vertreter aus Deutschland. Seine Beiträge sind bis heute von unschätzbarem Wert für Attac und die globalisierungskritische Bewegung. Nicht nur deshalb wird er fehlen.

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