Am 15. März 2019 fand in über 100 Ländern der Erde ein von "Fridays for Future" organisiert Klima-Streik statt, bei dem über eine Millionen Schüler_innen auf die Straßen gingen. Wir haben drei Personen aus Wien, die verschiedenen Strömungen der Klimagerechtigkeitsbewegung angehören, gefragt, was sie zu dem Streik sagen.
Was bringt euch zum Klimastreik?
E + K: Wir sind heute hier, um für das Klima zu protestieren!
A: Ich möchte einen Teil beitragen, um die Umwelt zu schützen. Auch gegen Verschmutzung, gegen Pestizide. Damit sich in der Politik etwas ändert.
Habt ihr schon öfters bei den Streiks mitgemacht?
E: Nein, aber heute bin ich hier. Weil ich finde, dass es eine Veränderung geben muss!
K: Es ist heute mein erster Klimastreik. Ich muss sagen, ich war bisher nicht so am Klima interessiert. Aber in letzter Zeit informiere ich mich und recherchiere darüber. Und auch in der Schule machen wir mehr.
Habt ihr also das Gefühl, die Klimastreiks haben einen Anstoß gegeben, dass das Thema breiter diskutiert wird?
A: Ja, da so viele Menschen bei diesen Streiks mitmachen, passiert das automatisch und ich denke das bewirkt allein dadurch schon etwas.
Was wäre denn eurer Meinung nach ein zufriedenstellendes Ergebnis der Proteste?
K: Also für Österreich sollte man auf jeden Fall die “Mission 2030” (die sogenannte Energie- und Klimastrategie der Bundesregierung, A. d. Red.) (Link: https://mission2030.info/) nochmal neu machen. Weil nur ein paar Fahrradwege bauen ändert jetzt nicht so viel. Und ich wünsche mir auch, dass Europa da mehr aufwacht, mehr tut, und das als Priorität sieht.
E: Da bin ich ganz ihrer Meinung. Und zusätzlich muss das auch gleich mit Plastikreduktion einhergehen!
A: Man sollte die Massenproduktion etwas einstellen.
Massenproduktion? Meinst du die übermäßige Menge an Gütern die produziert werden?
A: Ja, bei der Kleidung zum Beispiel, oder Plastiksackerl, Verpackungen.
Na das passt ja zum nächsten Punkt. Habt ihr schonmal von der Degrowth-Bewegung gehört?
E+K+A: Nein, haben wir noch nicht.
Nun, in kurzen Worten geht es um eine neue Art, Wirtschaft zu denken. Weg von dem Mantra “Wachstum und Profite um jeden Preis” hin zu einer bedürfnisorientierten Wirtschaftsweise: Was brauchen die Menschen in dieser Region und global, um ein gutes Leben führen zu können? Wie können wir nachhaltig mit Ressourcen umgehen? Ist so etwas eurer Meinung nach kompatibel mit der Klimastreik-Bewegung? Könnt ihr das unterstützen?
K: Ich denke wenn man auch in Zukunft noch wirtschaften will, dann muss man das nachhaltiger gestalten. Weil es einfach irgendwann mal aus ist. Da kann man noch so reich sein. Und man sollte sich lieber jetzt Gedanken dazu machen, nicht erst irgendwann in fünf Jahren, wenn es dann schon zu spät ist.
Was wünscht ihr euch von Menschen, die diesem Streik kritisch gegenüberstehen? (á la:“bleibt in der Schule, haltet euch an die Regeln”)
E: Ganz einfach: schaut euch die Fakten an! Wissenschaftler haben die schon lange geliefert.
K: Außerdem, was bringt das Lernen, wenn es keine Zukunft gibt? Das hier ist mir wichtiger als die Schulpflicht.
Habt ihr denn das Gefühl, dass ihr in der Schule ausreichend auf die Zukunft vorbereitet werdet?
A: Nein. Und wenn man dann seine Matura hat, oder seinen Studienabschluss, dann fragt man sich: Was mache ich denn jetzt? Gut, ich verdiene mein Geld. Aber wie führe ich meinen Haushalt, wie mache ich die Steuern? Das würde mich zum Beispiel interessieren.
E: Ich glaube man muss leider sehr viel selber dafür tun. Obwohl es eigentlich die Aufgabe der Schule wäre, uns auf die Zukunft vorzubereiten.
Danke für eure Zeit und das Gespräch!
3) Einordnung der Demo in einen weiteren österreichischen Klimakontext von Nikolai Weber
Die österreichische Fridays For Future Bewegung, die jeden Freitag vor dem Parlament streikt, gewinnt rasant an Tempo und wird mit Interesse von den Medien beobachtet. So gründeten sich bereits neue Unterstützer_innengruppen wie Parents For Future und Scientists For Future. Bisher existierte in Österreich die Klimagerechtigkeitsbewegung System Change, not Climate Change!, die aus dem Climate March 2015 während der Pariser Klimakonferenz entstanden ist, und seitdem verschiedene Demonstrationen, direkte Aktionen sowie das österreichische Klimacamp organisiert, und größtenteils im studentischen Milieu agiert. Mit dem Aufkommen neuer Bewegungen innerhalb des Klimagerechtigkeitsspektrums werden andere soziale Milieus erreicht, die Bewegung in Österreich wird breiter und diverser. So gründete sich neben Fridays For Future kürzlich auch ein Ableger der jungen britischen Bewegung Extinction Rebellion in Österreich.
Beim Treffpunkt am Heldenplatz und während des Demonstrationszuges zum Umweltministerium (seit der neuen Regierung nur noch „Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus“ genannt) und anschließend zum Verkehrsministerium sind viele Schüler_innen ans Mikrofon getreten, um der Öffentlichkeit zu erklären, warum und wofür sie protestieren. Die Schüler_innen führen ihr Handeln auf klimawissenschaftliche Erkenntnisse und Forderungen des Weltklimarats IPCC zurück. Ihre Kritik richtet sich an die unzureichende staatliche Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, das eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf „möglichst 1,5 Grad“ vorsieht. Die Rhetorik der Bewegung beinhaltet klare Einwände gegen die politische und ökonomische Ordnung, viele Redebeiträge fokussierten sich auf die Zurückweisung materialistischer Werte und betonten die Notwendigkeit schnell und effektiv zu handeln. Ein Plakat mit einem Zitat von Greta Thunberg fasste den kollektiven Geist so zusammen: „Warum für eine Zukunft lernen, die es so wahrscheinlich nie geben wird?”
Danke an Lisa Vavra für die Fotos und die Hilfe bei der Übersetzung. Organisiert, bearbeitet und zusammengestellt von Nathan Barlow.
Die englische Version des Artikels befindet sich hier.
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