HBS: Die erste UN-Konferenz zu Umwelt und Entwicklung, die 1992 in Rio de Janeiro stattfand, galt einst als umweltpolitischer Meilenstein. Doch eine echte Trendumkehr für eine soziale und ökologisch tragfähige Zukunft hat sie nicht eingeleitet. Seither haben sich alle wichtigen globalen ökologischen Trends zum Schlechteren und nicht zum Besseren gewendet. Politik und Wirtschaft lassen sich bis heute bei ihren Entscheidungen kaum von Klimawandel, Biodiversitätsverlust oder Ressourcenknappheit beeinflussen. Dieser Essay beschreibt die Gründe, warum ein tiefgreifendes Umdenken der politischen und ökonomischen Eliten bei der nächsten Konferenz zur nachhaltigen Entwicklung – erneut in Rio de Janeiro – nicht zu erwarten ist.
Der Klimawandel, die Ressourcenknappheit, die Ernährungssicherung, der Verlust der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt – sie brauchen schnelles Handeln und prioritäre Ziele. Doch mit dem Rio+20-Gipfel treten massive Dilemmata deutlich zu Tage. Die große Weltwirtschaftskrise schreit nach mehr Wachstum. Zur Armutsüberwindung wird ebenfalls in klassischen Wachstums- und Entwicklungskategorien gedacht. Der Klimawandel und die wachsende Ressourcenknappheit verlangen jedoch nach globaler Begrenzung, Genügsamkeit und Schrumpfung. Eine erneute «Große Transformation», ein neuer Gesellschaftsvertrag zwischen allen Nationen, der die planetarischen Grenzen akzeptiert und nach einer menschenrechtsorientierten Entwicklung strebt, wäre notwendig. Stattdessen gibt es traditionell makroökonomische Antworten, die die Probleme allein nicht lösen.
Es scheint, als bliebe es auch 20 Jahre nach dem ersten Erdgipfel ein Traum, dass die Staats- und Regierungschefs aus aller Welt in Rio de Janeiro die planetarischen Grenzen ernstnehmen und endlich die notwendigen Schritte für eine kohlenstoffarme, ressourceneffiziente und gerechtere Welt einleiten. Wir möchten mit diesem Essay beleuchten, was in Rio nicht gesagt wird – aber gesagt werden muss.