Die Krise der gesellschaftlichen Naturverhältnisse ist auch eine Krise der gesellschaftlichen ReProduktionsverhältnisse. Dies ist der Ausgangspunkt der queer-feministischen Kritik an den alternativen Ansätzen, die unter den Schlagworten Green New Deal, Postwachstum oder Solidarische Ökonomie verhandelt werden. Während die Strategien des Green New Deal auf eine ökologische Modernisierung der Industriepolitik abzielen, stellen Postwachstumsdebatte und Solidarische Ökonomien aktuelle Produktions- und Konsummuster grundsätzlicher in Frage.
Was aber alle drei Ansätze nicht systematisch in den Blick nehmen, ist die Geschlechterhierarchie. Weder gilt ihnen Geschlechtergerechtigkeit als explizites Ziel einer Transformation von Ökonomie und Gesellschaft, noch findet sich in den Debattenbeiträgen eine grundsätzliche Reflexion der Bedeutung von ReProduktionsarbeit für diese Transformation. Eine queer-feministische Perspektive geht dabei von folgenden Prämissen aus:
Für die Diskussion um Alternativen zur kapitalistischen Wachstumsökonomie stellt daher die Soziale Reproduktion einen zentralen Ausgangspunkt der Analyse dar. Welchen Stellenwert nimmt die Sorgearbeit ein, welche Chancen werden darin für die ökonomische Neuorientierung gesehen, inwiefern werden Geschlechterhierarchien naturalisiert oder abgebaut? Diese Fragen müssen beantwortet werden, soll es tatsächlich zu fundamentalen Änderungen von Produktions- und Konsummustern kommen. Vor allem die unheilige Allianz von Lebenssorge, Weiblichkeit und Mutterschaft gilt es dabei zu dekonstruieren.
Schaut man genau hin[1], dann wird schnell erkennbar, dass im Green New Deal die Soziale Reproduktion überhaupt keine Rolle spielt und die symbolische Geschlechterordnung, also die soziale Konstruktion von Weiblichkeit und Männlichkeit, keinerlei Berücksichtigung bei der ökologischen Transformation der Industriegesellschaft findet. Dies irritiert umso mehr, als doch der Green New Deal von einem Teil der Grünen maßgeblich mitgetragen wird. Zumindest die gleichstellungsorientierte Integration von Frauen in die als zukunftsträchtig erachteten Sektoren der Energie-, Bau- und Verkehrswirtschaft – alles ganz überwiegend Männerdomänen – müssten die Protagonisten der Debatte doch fordern, wenn schon den Arbeitsplätzen in Pflege- und Betreuungsberufen keinerlei Aufmerksamkeit zukommt.
Diese wiederum sind zentral in der Debatte um die Postwachstumsgesellschaft, die in diesen Tätigkeitsfeldern die Leitsektoren des ökonomischen Strukturwandels sieht. Eine Postwachstumsgesellschaft muss sich bei den kostenintensiven und damit wachstumstreibenden Sektoren wie Gesundheitsversorgung, Alterssicherung und Bildung grundsätzlich umorientieren, so die Aussage. Wenn hier Chancen für mehr Eigenverantwortung und Kosteneffizienz gesehen werden[2], was bedeutet das für die Arbeitsbelastung von Frauen in der sogenannten Privatsphäre? Ein Rückbau staatlicher Daseinsvorsorge, das haben die Privatisierungen der vergangenen Jahre deutlich gezeigt, geht immer zu Lasten von Frauen, die diesen Leistungsabbau durch individuelle Mehrarbeit kompensieren müssen[3]. Damit verstärkt sich die Zuweisung von Verantwortungs- und Fürsorgearbeit an Frauen in deren quasi-natürliche Zuständigkeit, ohne dass die Frage gestellt würde, wie eine Gleichverteilung der unbezahlten Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen realisiert werden könnte. Der von feministischen Ökonominnen entwickelte Ansatz des Vorsorgenden Wirtschaftens weist hier in die entsprechende Richtung[4].
Die sichtbarsten Schritte in neue, nicht-kapitalistische ökonomische Verhältnisse gehen die Projekte und Initiativen der Solidarischen Ökonomie. Diese Versuche eines „Nowtopia“ setzen auf eine Transformation von Arbeits- und Austauschbeziehungen im Hier und Jetzt. Die meisten dieser Projekte zielen auf Gleichberechtigung im Umgang zwischen Menschen gleich welchen Alters oder Geschlechts. Allerdings ist Hierarchieabbau kein Automatismus – die Demokratisierung des Geschlechterverhältnisses ist eher eine mühselige und konfliktträchtige Angelegenheit. Solidarische Ökonomie braucht ebenso wie die anderen Ansätze eine kritische Reflexion der binären Geschlechterordnung und der Naturalisierung von Heterosexualität. Solidarische Ökonomie lebt von der starken Motivation der Beteiligten, sich mit ihrer ganzen Person in den Prozess von Arbeiten und Leben einzubringen. Es muss hier genau darauf geachtet werden, dass die existenziellen Abhängigkeiten und Verantwortlichkeiten, die dadurch kurz- und langfristig entstehen, sich gleichermaßen auf die Geschlechter verteilen. Die ökofeministische Diskussion um Subsistenzwirtschaft als Lebensweise[5] bietet hier wichtige Anknüpfungspunkte, wobei deren impliziter Mütterlichkeitsmythos kritisch hinterfragt werden muss.
Abschließend wäre festzuhalten, dass die feministisch-ökologische Ökonomie sich schon seit vielen Jahren mit den geschlechtlichen Implikationen gesellschaftlicher Naturverhältnisse befasst. Queer-feministische Perspektiven haben dabei die Naturalisierung heterosexueller ReProduktionsweisen ebenso im Blick wie die empirisch nach wie vor von Frauen geleistete Verantwortungs- und Fürsorgearbeit. Es wäre wünschenswert und an der Zeit, der Sozialen Reproduktion in alternativen Konzepten zur Wachstumsökonomie die Bedeutung zuzumessen, die ihr zukommt, sowohl für die Ökonomie als auch für die Gesellschaft insgesamt.
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