Interview mit Ernst Ulrich von Weizsäcker
Können Maßnahmen zur Effizienzsteigerung trotz diverser Rebound-Effekte absolute Senkung des Ressourcenverbrauchs bewirken? Tilman Santarius hat jüngst die Debatte um relative und absolute Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch für obsolet erklärt. Ernst Ulrich von Weizsäcker zeigt in seinem Buch „Faktor Fünf“ hingegen Strategien auf, wie Effizienzsteigerungen zu einer Entkopplung beitragen können. In diesem Interview nimmt er mir gegenüber Stellung zu der immer häufiger auftretenden Kritik an der Effizienzstrategie.
Gerrit von Jorck: Innerhalb des Postwachstumsdiskurses wird sich kritisch mit Effizienzstrategien auseinandergesetzt, so zuletzt in der Rezension von Markus Wissen. Insbesondere der Rebound-Effekt wird als Begründung für eine Postwachstumsgesellschaft herangezogen. Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Rebound-Effektes ein?
Ernst Ulrich von Weizsäcker: Immer häufiger höre ich die Auffassung, dass Effizienz kein ökologisches Problem löst, weil sie nach dem Rebound-Effekt immer wieder durch zusätzliches Wachstum überrundet wird. Historisch ist diese Kritik zutreffend. Aber die Geschichte des Rebound Effektes ist zugleich die Geschichte fast ununterbrochener Verbilligung der Ressourcen. Im Buch "Faktor 5" bringen wir auf Seite 308 ein Bild, nach welchem die Ressourcenpreise einschließlich Energie in den letzten 200 Jahren (!) systematisch immer billiger geworden sind, mit kurzen Trendunterbrechungen durch zwei Weltkriege und die Ölkrise von 1974-82.
Der Preisauftrieb nach 2000 mag (wie McKinsey vermutet) die historische Trendwende markieren; ich bin da etwas skeptisch und habe das schon vor dem Ausbruch des Schiefergas-Hype öffentlich gesagt. Und die Verbilligung von Energie und Rohstoffen ist natürlich die wirksamste Einladung zu immer mehr Ressourcenkonsum, also dem Rebound-Effekt.
Gerrit von Jorck: Aktuell wird als Reaktion auf den Rebound-Effekt eine Politik der Suffizienz als Lösungsstrategien diskutiert. Angelika Zahrnt und Uwe Schneidewind haben hierzu gerade Thesen ihres neuen Buches auf unserem Blog zur Diskussion gestellt. Wie sähe Ihrer Meinung nach eine Antwort auf den Rebound-Effekt aus?
Ernst Ulrich von Weizsäcker: Genügsamkeit propagieren ist ein Teil der Antwort. Ich habe absolut nichts dagegen. Viel wirksamer aber wäre eine Politik der aktiven Gegenwehr gegen die Verbilligung. Genau das schlägt Faktor Fünf vor: Macht einen politischen Beschluss, die Energie- und Ressourcenpreise jedes Jahr um den Prozentsatz zu steigern, um welchen die Effizienz im Vorjahr zugenommen hat. Wird die deutsche Autoflotte 2013 um 1,5% treibstoffeffizienter, steigt der Treibstoffpreis um 1,5 % plus Inflationsrate. Dann wird im Durchschnitt der gefahrene Kilometer nicht teurer. Analog für Strom, evtl. zu differenzieren zwischen Haushalten, produzierendem Gewerbe und Dienstleistungen. Zwei politisch motivierte Ausnahmen gehören dazu: Anhebung der Sozialtransfersätze im Umfang der Energieteuerung, sowie Aufkommensneutralität für die energieintensive Industrie, also Rückfütterung der Energiesteuern an dieselbe, aber nicht pro Gigajoule, sondern pro Arbeitsplatz. Letzteres führt dazu, dass die Branche im Lande bleibt, sich endlich um Effizienz bemüht (statt sich auf Billigstrom auszuruhen) und Arbeitsplätze lieber erhält als wegrationalisiert.
Gerrit von Jorck: Inwiefern würde sich Ihr Vorschlag in seinen Folgen von einer Suffizienzpolitik unterscheiden?
Ernst Ulrich von Weizsäcker: Wenn eine solche Politik durchgesetzt würde, würde sie eine Selbstbeschleunigung der Effizienz und zugleich eine deutliche Dämpfung des Rebound-Effektes bewirken. Man hätte Verhaltensveränderungen zu erwarten, die das Gegenteil des Rebound-Effektes wären. Ob man das Suffizienz nennt oder Anpassung an die preisliche Realität, ist für mich dann nur noch Haarspalterei.
Gerrit von Jorck: Gerade erst hat die große Koalition die Absicht erklärt, die Energiewende zu verlangsamen, um eine Billigstrompolitik zu fördern. Würde eine Verteuerung der Energie- und Ressourcenpreise in Höhe der Effizienzsteigerungen, wie Sie diese vorschlagen, nicht auf großen gesellschaftlichen Widerstand stoßen?
Ernst Ulrich von Weizsäcker: Natürlich wird es gegen eine solche Politik Unkenrufe geben: Deindustrialisierung, Verlust der Wettbewerbsfähigkeit, Ruin der Wirtschaft. Aber die Unkenrufer werden um der öffentlichen Wirkung willen immer die Hartz IV-Empfänger und die Niedrigrenten-Omas vorschieben. Deshalb muss man den Vorschlag im Paket mit den zwei genannten Ausnahmen beschließen. Und dann wird man sehen, dass die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes und einer Branche steigt, wenn die Effizienz gepusht wird und man komfortabel unabhängig wird von den wilden Fluktuationen der Öl- und Metallmärkte.
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