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Was hat sich durch MOVE UTOPIA verändert?

By: Andrea Vetter

21.07.2017

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Eine Auswertung ist ein schwieriges Genre. Bei MOVE UTOPIA, dem fünftägigen Zusammen!Treffen! für eine Welt nach Bedürfnissen und Fähigkeiten, ist es eine Herausforderung: Über 1000 Menschen aus sehr unterschiedlichen Bewegungen trafen sich – manche für mehr als eine Woche, einige nur für einen Tag–, um der Vision einer tauschlogikfreien Gesellschaft nachzuspüren. Schauplatz des Treffens war der alte Militärflugplatz in Lärz (Mecklenburg), der seit 20 Jahren vom Kulturkosmos e.V. für Kunst, Musik- und Theaterfestivals genutzt wird.

Wie ist MOVE entstanden?

MOVE UTOPIA entwickelte sich ziemlich spontan aus einer Reihe glücklicher Fügungen: Auf einem Workshop bei der geldfreien Utopie-Ökonomie-Konferenz Utopikon im November 2016 - organisiert vom jungen Zusammenschluss living utopia - entstand die Idee, doch eine ähnliche Veranstaltung in größer zu ermöglichen: denn aufgrund des großen Interesses mussten die Teilnehmenden sowohl bei den bisher drei Utopivals (utopischen Sommerfestivals) als auch der Utopikon ausgelost werden. Friederike Habermann, eine der Keynote-Sprecherinnen der Utopikon und seit Jahrzehnten in globalen Bewegungen für das gute Leben für alle aktiv, gab dann den entscheidenden Impuls. Als Mitglied der BUKO (Bundeskoordination Internationalismus), brachte sie diese Idee zusammen mit der Überlegung, einmal einen BUKO-Kongress in einem anderen Rahmen stattfinden zu lassen. Und so kam überraschend zusammen, was Wandel aus ganz verschiedenen Perspektiven anstrebt: der seit 40 Jahren bestehende, kampferprobte Zusammenschluss internationalistischer Initiativen, und living utopia, eine digital und offline gut vernetzte lose Gruppe, die vor allem aus Menschen unter 25 Jahren besteht, die auf eine Radikalisierung des Alltags setzen, und teilweise geldfrei und wohnsitzlos aus dem neoliberalen Karrieresystem desertieren, bevor sie eingesogen werden können. Aus einem ähnlichen Zusammenhang gesellte sich Yunity hinzu, ein Netzwerk, das eine an Foodsharing angelehnte Plattform erschaffen will, in der alle Dinge frei geschenkt werden können. Das Konzeptwerk Neue Ökonomie aus Leipzig und einzelne andere Akteure aus der Degrowth-Bewegung beschlossen, das Format in der Organisation zu unterstützen. Noch im Winter entstand ein Selbstverständnis, das den inhaltlichen Grundstein für MOVE UTOPIA legte: Die Zukunft gestalten, dem Wachstum entwachsen und die Utopie leben – Grundidee war es, die Utopie einer Gesellschaft ohne Tauschlogik zu diskutieren und auszuprobieren, um damit dem Rechtspopulismus eigene utopische Horizonte entgegenzusetzen. Das Akronym MOVE wurde gefunden als Grundsteine der Veranstaltung: M-iteinander, O-ffen, V-ertrauensvoll, E-manziptaorisch. Das MOVE UTOPIA hatte damit von Anfang an eine Art Doppelrolle, die von verschiedenen Akteur*innen im Kreis der Organisierenden unterschiedlich betont wurden: zum einen Tauschlogikfreiheit als Konzept sichtbar zu machen, zum anderen verschiedene Bewegungen, Politikverständnisse und Lebensformen aus unterschiedlichen Generationen in einen Dialog zu bringen. [gallery ids="392260,392243,392257,392251,392259,392249,392258,392248,392252,392244,392245,392246"]

Was war das Besondere?

MOVE UTOPIA war kein Ort politischer Strategiedebatten, an dem schlagkräftige neue Bündnisse geschmiedet wurden. Es war vielmehr ein erster, tastender Versuch auszuloten, wie es sich mit vielen unterschiedlichen Menschen anfühlt, Menschen nicht als egoistische Nutzenmaximierer, sondern im Sinne des V-ertrauensvoll in MOVE als kooperierende Beziehungswesen zu verstehen. Das Prinzip der Tauschlogikfreiheit wurde praktisch, da weder die Teilnahme noch das Essen noch Heiß- oder Kaltgetränke etwas kosteten (Spenden für das notwendige Geld wurden örtlich und personell entkoppelt gesammelt), was bei vielen Denkanstöße bewirkte. In der Logik des Vertrauens und des Miteinanders war das MOVE auf jeden Fall ein Meilenstein, denn es fühlte sich für viele Menschen anders als im Alltag an, dort zu sein. Offenheit, intensive Begegnungen, Sich Selbst sein dürfen und Ähnliches wurden immer wieder als das Besondere genannt. Das schloss auch Kinder mit ein: es gab einen eigenen „Kinderraum“ für die vielen kleinen Teilnehmenden, im dem junge Menschen selbstorganisiert, aber begleitet von verlässlichen Erwachsenen, ihren Tag gestalten konnten. Die Idee eines Zusammen-Treffens verschiedener Bewegungen wurde ebenfalls Wirklichkeit: Menschen, die sich für einen Wandel gesellschaftlicher Rahmenbedingungen einsetzen (und bereits hier in großer Bandbreite), trafen auf andere aus Offenen Werkstätten, aus Permakultur-Gärten oder einem anarchistischen Projektehaus – und auf solche, die sich für einen inneren und zwischenmenschlichen Wandel einsetzen: ob als Queer-Feminist*innen im Durchlässigmachen von Geschlechtszuschreibungen, als Bewohner*innen der Lebensgemeinschaft ZEGG in der Reflexion von Beziehungsformen oder als Anhänger*innen der spirituell organisierten Rainbow Community. MOVE UTOPIA war getragen von Respekt füreinander und für die verschiedenen Formen, gemeinsam Wandel voranbringen zu wollen. Es gab sehr viele als Bereicherung erfahrene individuelle Begegnungen, und durch die Vielfalt der Konzepte auf dem Platz auch sehr viele Denkanstöße. Viele Teilnehmende – ein Großteil davon unter 30 Jahre – nehmen Ideen mit: „ich hab mich hier zum ersten Mal mit meiner Männlichkeit auseinandergesetzt, das wird mich noch eine Weile begleiten“, oder auch „ich werde jetzt in meiner Umgebung schauen, ob es dort eine Solidarische Landwirtschaft gibt, oder sonst halt eine gründen“, „ich fühlte mich gestärkt, so viele Menschen zu sehen, denen es ähnlich geht wie mir, die auf der Suche nach anderen Konzepten sind“.

Konflikte als Praxistest der Utopie

Deutlich wurde jedoch auch, dass jenseits der Tauschlogik viel Raum für Konflikte bestehen bleibt, die immer wieder neu be- und verhandelt werden müssen: gerade die Regelungen des Organisationskreises, nur an bestimmten Stellen des Geländes Alkohol trinken und Rauchen zu dürfen, sowie die generelle Bitte an erwachsene Menschen, auch bei Hitze nicht vollkommen oben ohne herumzulaufen, sorgten immer wieder für Diskussionsstoff. Die Diskussion um kulturelle Aneignung in Form verschiedener Speisen und Kleidungsstile, die nach dem letzten Fusion Festival auf dem Gelände des Kulturkosmos in linken Medien geführt wurde, wurde nur sporadisch aufgegriffen und hätte sicherlich mehr Beachtung verdient gehabt. Zentrale Begegnungsveranstaltungen des Zusammentreffens stellten die knapp einstündigen täglichen Morgenimpulse dar, zu den Themen „Warum unsere Utopie tauschlogikfrei sein muss“, „Warum unsere Utopie offen sein muss“, „Warum unsere Utopie widerständig sein muss“. Diese waren gerahmt von Angeboten, sich zu den Impulsen auszutauschen. Leider machte jedoch das Wetter einen Strich durch die Rechnung: Da sie als Open Air-Veranstaltungen ausgelegt waren und es von Donnerstagmittag bis Sonntagmittag immer wieder mal regnete, waren sie weniger gut besucht als erhofft.

MOVE und Degrowth

Inwiefern ist MOVE Utopia eine Veranstaltung, die aus Degrowth-Perspektive interessant war? Der Aufruf zu MOVE-Utopia hatte bereits die klare Perspektive, eine Wirtschaft und Gesellschaft jenseits des Wachstums anzustreben. Darüber hinaus zeigte sich die Bedürfnisorientierung einer solchen Wirtschaft bereits im Projekt „Degrowth in Bewegung(en)“ als als ein verbindendes Element aller 32 beitragenden sozialen Bewegungen und Konzepte. Insofern ist es konsquent, bei einer Veranstaltung mit etlichen der in diesem Spektrum vertretenen Gruppen die Frage „nach Bedürfnissen und Fähigkeiten“ scharf zu stellen. Und: auf dem Zusammen!Treffen! gab es ein eigenes Degrowth-Zelt, organisiert vom Berliner Verein FairBindung, in dem gut besuchte Einzelveranstaltungen stattfanden.

Wird es ein weiteres MOVE geben?

Viele Teilnehmenden äußerten am Ende des ZusammenTreffens den Wunsch, dass es weitergehen möge. In welcher Form das statt finden kann, ist noch offen: ob wieder als fünftägiges Treffen oder eher in Regionalgruppen, wieder beim Kulturkosmos oder auf einem anderen Gelände, mit denselben Gruppen oder in anderer Form … Es gab bereits verschiedene Vorschläge, zum Beispiel vom Commons Institut, wie das Zusammentreffen selbst noch stärker basisdemokratisch organisiert und von allen mitgetragen werden könnte. So könnte um zum einen die Organisationslast auf mehr Schultern verteilt werden, und zum anderen MOVE UTOPIA stärker als Anwendungsraum für basisdemokratische Entscheidungsfindung genutzt werden. Im Herbst 2017 wird es dazu voraussichtlich ein Weiterdenken-Treffen geben, zu dem Interessierte herzlich willkommen sind.

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