Interview mit Nina Treu Wenige Tage vor Beginn der Degrowth-Sommerschule im Rheinland hat die Stiftung für Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen die Förderung eingestellt. Nina Treu vom Konzeptwerk Neue Ökonomie über die Begründung der Stiftung, was das politisch bedeutet und wie es jetzt weitergeht. Nur zehn Tage vor Beginn der Sommerschule hat die Stiftung für Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen ihre Förderung eingestellt. Um wie viel Geld geht es dabei und wie war die Begründung für diesen drastischen Schritt? Nina Treu: Insgesamt wollte die Stiftung die Sommerschule mit 75.000 Euro fördern. Davon sind 29.000 Euro schon an das Konzeptwerk ausgezahlt. Das heißt, es fehlen jetzt 46.000 Euro. Die Begründung, die wir bekommen haben, war, dass die Sommerschule eine zu große Nähe zum Klimacamp und damit zu zivilem Ungehorsam hat. Dass die Stiftung jetzt mit dieser Begründung kam, ist für uns sehr merkwürdig. Die Sommerschule ist dieses Jahr schon zum dritten Mal zu Gast auf dem Klimacamp. Sie ist aber vom Klimacamp rechtlich, organisatorisch und finanziell getrennt. Es stimmt, dass im Zeitraum des Klimacamps Aktionen zivilen Ungehorsams stattfinden, die sind aber nicht Teil der Sommerschule. Die Massenaktionen, vor allem Ende Gelände, finden auch nach der Sommerschule statt, nicht zeitgleich. Was das Thema Gemeinnützigkeit betrifft: Auch das Konzeptwerk ist ein gemeinnütziger Verein. Wir haben ein ebenso großes Interesse wie die Stiftung, dass wir eine klare Linie zu zivilem Ungehorsam ziehen. Als Privatpersonen finden viele von uns diese Protestform legitim und erklären uns als Konzeptwerk wie viele andere NGOs auch solidarisch, aber wir organisieren natürlich keine Aktionen. Habt Ihr versucht, nochmals mit der Stiftung über die Entscheidung zu sprechen? Ja, das haben wir. Es ist ja fatal, dass diese Entscheidung so spät fällt. Wir hatten schon im Juli von den Zweifeln und Sorgen der Stiftung gehört. Daraufhin haben wir dann Mitte Juli mit ihnen telefoniert und Ende Juli eine längere Email mit Erklärungen abgegeben. Nachdem sie uns dann am 8. August - zehn Tage vor Beginn der Sommerschule! - die Entscheidung mitgeteilt hat, sind wir zwei Tage später auch noch mal zum persönlichen Gespräch zur Stiftung gefahren. Das hat aber an deren Entscheidung nichts geändert. Das Konzeptwerk hat mit der Stiftung einen Fördervertrag geschlossen. Welche Förderbedingungen formuliert der Vertrag? Das ist erst einmal ein ganz normaler Fördervertrag. Explizite Bezüge zum Klimacamp oder zivilem Ungehorsam finden sich darin gar nicht. Der Vertrag formuliert die ganz normalen Förderbedingungen, vor allem die, dass das Projekt so durchgeführt werden muss, wie es in unserem Antrag steht. Der Vertrag verpflichtet uns dazu, der Stiftung mitzuteilen, wenn sich etwas an den Projektzielen, den Kernelementen des Projekts oder den finanziellen Bedingungen ändert. Die Information, dass die Sommerschule auf dem Klimacamp stattfinden kann, haben wir auch im Zuge unserer Antragstellung mitgeteilt. Das heißt, aus Eurer Sicht hat sich an diesen Bedingungen nichts geändert? Nein, gar nicht. Vor allem entspricht es nicht unserem Verständnis von gelebter Demokratie, wenn wir zeitlich klar getrennt von Aktionen zivilen Ungehorsams nicht einmal Bildungsveranstaltungen zum Thema anbieten können. Steht möglicherweise noch etwas anderes hinter der Entscheidung der Stiftung? Die Stiftung begründet ihre Entscheidung mit der Nähe zum Klimacamp und damit zu Aktionen zivilen Ungehorsams. Die Stiftung ist eine Landesstiftung. Sie finanziert ihre Arbeit aus Lotterieerlösen und aus Steuermitteln des Landes. Daher kann sie keine Projekte fördern, die als „Methode der Meinungsäußerung zivilen Ungehorsam“ einsetzen. Das ist logisch und klar – aber die Sommerschule ist eine Bildungsveranstaltung und keine Aktionswerkstatt. Ob so eine Nähe heikel ist oder nicht hängt natürlich immer mit der aktuellen politischen Lage zusammen. Nach dem G20-Gipfel gab es ja einerseits die sehr aufgeheizte mediale Debatte um die Ausschreitungen am Rande des Gipfels und die Rolle der Linken darin. Wir vermuten, dass es der Stiftung zu heikel wurde, Bildungsveranstaltungen mit Nähe zu Klimaaktivismus zu finanzieren. Andererseits regiert jetzt in Nordrhein-Westfalen keine rot-grüne Regierung mehr, sondern eine schwarz-gelbe. Was heißt das genau? Die jetzige schwarz-gelbe Regierung hat nicht nur ein viel negativeres Bild von linken Aktivist_innen. Sie nehmen auch das Thema Klimaschutz viel weniger ernst. Da kann eine Sommerschule zu einem sozial-gerechten und ökologisch nachhaltigem und vor allem schnellem Strukturwandel im Rheinland ein Dorn im Auge sein. Und solch einen Beitrag zum Strukturwandel leistet die Sommerschule tatsächlich: Am Sonntag zum Beispiel diskutieren auf einem Podium in Erkelenz im Rheinland erstmals seit Langem Vertreter_innen der Gewerkschaft IGBCE und Klimaaktivist_innen miteinander über Strukturwandel. Das kann die Sommerschule leisten! Und der politische Wechsel in NRW spiegelt sich jetzt in der Politik der Stiftung wider? Im Koalitionsvertrag von Schwarz-gelb steht in einem Absatz, dass die Tätigkeiten der Stiftung Umwelt und Entwicklung zeitnah überprüft werden sollen, damit sie eine größere Breitenwirkung entfaltet. Unabhängig davon, ob das jetzt genau was mit unserem Projekt zu tun hat erhöht sich damit der Druck auf die Stiftung. Und es liegt nahe, dass die Sommerschule mit ihrer wohl wahrgenommenen Nähe zu zivilem Ungehorsam da nochmals strenger überprüft wird. Dass vertraglich festgelegte Förderungsentscheidungen im laufenden Prozess rückgängig gemacht werden, ist trotzdem unerhört. Aber die Sommerschule wird trotzdem stattfinden? Auf jeden Fall, wir können nicht einfach mal eben eine Großveranstaltung mit fast 500 Teilnehmenden absagen. Wir haben Referent_innen eingeladen, die Zelte bestellt und Dienstleistungen vor Ort gebucht. Und auch politisch gesehen fänden wir eine Absage ein völlig falsches Signal. Und wie geht es jetzt weiter? Was bedeutet die Entscheidung für das Konzeptwerk? Für uns bedeutet sie erst einmal sehr viel Stress, weil wir sehen müssen, wie wir die Finanzierungslücke schließen. Und Stress haben auch die Menschen, die seit Monaten die Sommerschule vorbereiten und durch die Entscheidung der Stiftung vor große Probleme gestellt werden. Um Geld einzuwerben, machen wir jetzt eine Soli-Kampagne und hoffen, dass uns viele Menschen unterstützen. Außerdem fragen wir langjährige Partner-Organisationen, ob sie helfen können. Wenn die Sommerschule vorbei ist, werden wir prüfen, ob wir rechtlich gegen die Entscheidung der Stiftung vorgehen. Wir lassen uns unsere Arbeit nicht kaputt machen! Wenn wir einen katastrophalen Klimawandel und das ganze damit einhergehende Leid vermeiden wollen, dann brauchen wir eine ambitionierte Klimapolitik und eine Wirtschaft jenseits des Wachstums. Wir kämpfen weiter für Degrowth. Und die Sommerschule spielt dabei eine wichtige Rolle. Sie schafft es immer wieder, Menschen zu inspirieren. Viele Teilnehmer_innen aus den letzten Jahren engagieren sich in diesem Jahr ehrenamtlich im Organisationskreis. Ein solches Engagement braucht es heute mehr denn je!
von Jana Holz und Miriam Fahimi Während sich andere Workshops der Sommerschule zu Degrowth und Klimagerechtigkeit zum Beispiel mit dem Emissionshandel, den sozialen Konditionen des Klimawandels, makroökonomischen Bedingungen von Postwachstumsgesellschaften beschäftigten, haben wir uns vor allem mit uns selbst auseinander gesetzt. Dieses mit-sich-selbst-auseinander-setzen, das wurde jedoch schn...
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