Logo degrowth

Blog

“Gelebte Utopien ebneten den Weg für eine Welt jenseits des Wachstums”

01.03.2014

Bundjugend bundesverband

Interview mit Anna Holthaus

Anna Holthaus ist Vorstandsmitglied der BUNDJugend. Seit 4 Jahren engagiert sie sich in der BUNDJugend dafür, die Schritte für einen sozial-ökologischen Transformationsprozess und eine Gesellschaft ohne Wachstum anzusteuern. Erfreulicherweise ist die BUNDJugend ein wichtiger Unterstützer der Degrowth-Konferenz in Leipzig. Im Rahmen unserer Interviewreihe blickt Anna Holthaus aus der Zukunft auf die Zeit der Wachstumswende zurück:

Stellen Sie sich vor, wir erleben eine Zeit "des guten Lebens" jenseits des Wachstums. Blicken wir dann, sagen wir im Jahre 2030, auf die vergangenen Jahrzehnte zurück.

1. Inwiefern war unsere Gesellschaft wachstumsabhängig?

Unsere Gesellschaft baute auf einem generellen Irrtum auf: In der Natur ist Wachstum begrenzt, Menschen wachsen, Bäume sprießen, aber irgendwann sind sie „ausgewachsen“. Wir dachten jedoch lange Zeit, dass dies bei der Wirtschaft anders sei. Sie sollte immer weiter und weiter wachsen – die Produktion, der Umsatz, die Zahl der Beschäftigten eines Unternehmens, die Auswahl an Produkten und unser Verbrauch. Das Wirtschaftswachstum war so zum Ziel unserer Entwicklung und dem Anliegen der Politik geworden und unsere Gesellschaft wurde wachstumsabhängig. Die natürlichen Ressourcen und Rohstoffe der Erde sind jedoch endlich. Das auf Wachstum fixierte Wirtschaftssystem musste also früher oder später zwangsläufig an die ökologischen Grenzen unseres Planeten stoßen.

2. Welcher Art waren die Hindernisse, die einer Wachstumswende im Wege standen?

Neben Wachstumszwängen in unserem Wirtschaftssystem waren die größten Hindernisse unsere Köpfe selbst: Der Traum einer Effizienz-Revolution und der Glaube an Mythen des Wirtschaftswachstums wie Stabilität, Arbeitsplatzsicherung und Wohlstand. Wir dachten viel zu lange, dass Wirtschaftswachstum für „gutes Leben“ sorgen würde. Alternativen zu denken oder gar zu leben, fiel den meisten Menschen in dieser schnelllebigen Konsumgesellschaft von damals schwer.

3. Wie hat Ihr Handeln zu einer Gesellschaft jenseits des Wachstums beigetragen?

In den Projekten und Aktivitäten der BUNDjugend stellten wir uns gemeinsam die Fragen: Was bedeutet Glück und Wohlstand für uns überhaupt? Wie kann eine zukünftige Gesellschaft aussehen und was können wir im Kleinen ändern? Wir schauten uns damals andere Lebens, Wohn- und Arbeitsformen an, probierten neue alternative Lebensstile aus und Stück für Stück veränderte sich dadurch unser Denken und Handeln.

4. Was macht für Sie das "gute Leben" innerhalb einer Gesellschaft mit bewusst geringem Produktions- und Konsumtionsniveau aus?

Mit dem Recht auf Suffizienz, erfanden wir Wohlstand neu. Dies brachte uns ein neues Miteinander: Neue Besitzformen, Tauschsysteme und veränderte Zeitverwendungen führten dazu, dass wir nun wieder mehr mit unseren Freund*innen, Familien und Nachbar*innen verbringen können, wieder mehr Zeit für unsere Hobbys haben und auch die Kleine Dinge wieder genießen können.

5. Welche Anzeichen für eine Welt jenseits des Wachstums gab es schon 2013?

Schon im Jahr 2013 gab es viele Anzeichen: An Universitäten und in WG-Küchen wurden neue Gesellschafts-, und Wirtschaftsformen diskutiert, übers Internet entstanden unterschiedlichste Tauschzirkel und viele kleine lokale Projekte zeigten die Möglichkeit eines anderen Lebens und Wirtschaftens. Diese gelebten Utopien ebneten den Weg für eine Welt jenseits des Wachstums!

Anna, vielen Dank für das Interview!

Share on the corporate technosphere


Our republication policy

Support us

Blog

„Das ist, wie wenn ein Richter ein Todesurteil fällt, ohne die Akte zu lesen.“ - Interview mit Siemens-Betriebsrat

2018 01 31siemenshv01 2000x1200

By: Christopher Laumanns

Ein Interview mit dem Siemens-Betriebsrat Thomas Clauß zu den Plänen des Konzerns, trotz Rekordgewinnen massiv Stellen abzubauen. 2017 verkündete Siemens 6,3 Milliarden Euro Gewinn nach Steuern. Rund eine Woche später kündigte die Konzernführung an, weltweit rund 6900 Jobs streichen zu wollen. Deutschlandweit sollen 3300 Stellen gestrichen werden, die Werke in Görlitz und Leipzig sollen ges...

Blog

Degrowth und Commons - gemeinsam in eine postkapitalistische Welt

By: Leslie Gauditz und Johannes Euler

Aus unserem Projekt Degrowth in Bewegung(en) Wenn Degrowth heißt, dass wir Menschen uns von den Fesseln des Wachstumszwangs befreien müssen, und wenn Commons-Aktivist*innen sich für mehr Commoning in der Welt einsetzen, dann müssen wir uns wohl folgende Fragen stellen: Von welchem Wachstum gilt es sich zu lösen? Wovon brauchen wir mehr? Wie könnte das gehen? Wer setzt sich dafür ein? Auf der ...

Blog

Auf welche Weise Konsum unsere Lebensqualität nicht steigert!

Dieser Artikel ist im Rahmen der Theoriewerkstatt zu Wachstumszwängen entstanden. Wir wollen im ersten Teil dieses Artikels beleuchten, warum die klassischen Wirtschaftswissenschaften Wirtschaftswachstum für notwendig halten, um die Konsumwünsche einer Bevölkerung zu befriedigen, sowie die Fragwürdigkeit dieser Annahme offen legen. Um es nicht bei der Kritik zu belassen, stellen wir im zweiten Teil mögliche [...]